Bestände der Bibliothek

Blick in den alarmgesicherten Raum mit dem historischen Buchbestand.
Die UV-Schutz-Spezialvorhänge wurden zum Zweck des Fotos aufgemacht.

Die besondere Bedeutung der Bibliothek des Mariengymnasiums besteht vor allem  darin, dass sie die einzige bis in die Gegenwart erhaltene universale Bibliothek zwischen Ems und Jade ist, die sich seit der Frühen Neuzeit kontinuierlich entwickelt hat. Damit stellt sie für die bildungsgeschichtliche Forschung einen Glücksfall dar. Es kann exemplarisch nachgezeichnet werden,  wie durch die Jahrhunderte mit Büchern gearbeitet und gelebt wurde.

Neben dem für Schulunterricht und Leseförderung benötigten zeitgenössischen Buchbestand sowie der Fortbildung dienenden wissenschaftlichen Büchern aus allen Fachbereichen von insgesamt ca. 20.000 Bänden, besitzt die Bibliothek eine vor Ort gewachsene historische Abteilung. Diese umfasst ungefähr 14.000 Titel, zählt man bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland  im Jahr 1949.

Teilblick in die Räume mit dem wissenschaftlichen Bestand

Zum historischen Bestand gehören unter anderem sechs Inkunabeln ab dem Erscheinungsjahr 1491, zahlreiche Frühdrucke aus den Jahren vor 1550, eine landeshistorisch bedeutsame Sammlung frühneuzeitlicher Handschriften sowie eine Landkartensammlung zum Deich-,  Grenz- und Wasserwesen der Region. Der Bestand wird abgerundet durch spätmittelalterliche makulierte Handschriftenfragmente, Kasualschriften, Archivalien und eine Musikaliensammlung, die unica von frühen Musikdrucken und -handschriften ab dem Barockzeitalter enthält.  Sie erhielt zuletzt durch die Identifizierung einer verlorenen Arie aus der Oper Almira des Georg Friedrich Händel wissenschaftliche Aufmerksamkeit.

Der älteste Teil der Bibliothek umfasst gut 100 Bände des Theologen und Juris­ten Remmer von Seediek (gest. 1557), der von 1531 bis 1557 als Kanzler der Herrschaft Jever tätig war und seine Bibliothek testamentarisch einer öffentlichen Nutzung zuführte. Während dieser Bestand eine klassische Humanisten- und Beamtenbibliothek abbildet, repräsentieren die weit über 1.000 Titel des Fürsten Johann Ludwig von Anhalt-Zerbst (1688-1746) eine vom höfischen Barock geprägte Bibliothek. Der Fürst residierte von 1720 bis 1742 als Statthalter der mitteldeutschen Landesherrschaft auf Schloss Jever und ließ – bei Übernahme der Regentschaft in Zerbst – seine Bücher in Jever zurück.  

EIne interessante Perspektive in der alten Bibliothek (Foto: Andreas Klesse)

Als die Herrschaft Jever 1818 an das Herzogtum Oldenburg gefallen war, ord­nete Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg (1785-1825) an, diese   Büchersammlungen der an der Schule geplanten öffentlichen Bibliothek zu­zuweisen. Allerdings gelangten danach auch Teilbestände in die Großher­zogliche Bibliothek in Oldenburg und in den Antiquariatsbuchhandel. Im 19. Jahrhundert wurde der Bestand durch weitere Stiftungen vermehrt, von denen besonders die pädagogische Bibliothek des Christian Heinrich Wolke (1741-1825) sowie die regionalgeschichtlich herausragende  Sammlung des Beamten Heinrich Georg Ehrentraut (1797-1866) zu nennen sind.  

In den Jahren 1820 bis 1933 wurden in einem großen Maße Bücher – dem Ideal des Neu­humanismus gemäß – gezielt für den Schulunterricht angeschafft.  Sie sind fast lückenlos erhalten geblieben. Aus der Ära  des Nationalsozialismus steht der ideologisch kontaminierte Bestand „Germanentum“ vollständig der Forschung und pädagogisch begleiteten Unterrichtsprojekten zur Verfügung. Die nach der Befreiung 1945 ausgesonderten NS-Schriften – nachweisbar über die Bibliotheksakten – werden gegenwärtig aus Schenkungen und antiquarischen Ankäufen rekonstruiert.  

Vitrine mit Lernfibeln aus der Sammlung Ilse Krtschka

1973 fand die über 1.200 Bände umfassende Gelehrtenbibliothek  des jeverschen Bürgermeisters und Naturforschers Georg Heinrich Bernhard Jürgens (1771-1846) ihre Aufstellung. Schenkungen werden dann angenommen, wenn sie in das Bibliothekskonzept passen, wie das z.B. im Oktober 2019 bei der historischen Kinder-, Jugend- und Leselernbuchsammlung von Ilse Krtschka aus Schortens der Fall war.

Augenmerk wird auf die Sammlung von Erstausgaben von und Sekundärliteratur über mit der Schule und Jever verbundenen Autoren gelegt, insbesondere (in chronologischer Reihenfolge):

Christian Heinrich Wolke (1741-1825, Pädagoge)
Gerhard Ulrich Anton Vieth (1763-1836, Turnpädagoge)
Ulrich Jasper Seetzen (1767-1811, Orientalist)
Friedrich Schlosser (1776-1861, Historiker)
Johann Heinrich von Thünen (1783-1850, Wirtschaftswissenschaftler)
Eilhard Mitscherlich (1794-1863, Chemiker)
Salomon Mendelssohn (1813-1892, Turnpädagoge)
Joseph Mendelssohn (1817-1856, Schriftsteller)  
Otto Erich Hartleben (1864-1905, Schriftsteller)
Georg von der Vring (1889-1968, Schriftsteller und Maler)
Friedrich „Fritz“ Levy (1901-1982, Schriftsteller, literarische Figur)
Oswald Andrae (1926-1997, niederdeutscher Schriftsteller)